Hier sei denn auch nochmal bei der Gelegenheit an den guten Aristophans erinnert:
"
"Ein Sykophant tritt auf.
SYKOPHANT.
»Was für Vögel sind denn das, von Gefieder bunt«,
Doch im übrigen bettelarm?
Sprich, »du flügelausreckende, bunte Schwalbe!«
PISTHETAIROS.
Nun kommt die schwere Not uns auf den Hals!
Da gluckst und überläuft uns wieder einer.
SYKOPHANT.
Noch einmal: »flügelausreckende, bunte« –
PISTHETAIROS.
Der, scheint es, spielt auf seinen Mantel an:
Der braucht wohl mehr als einer Schwalbe Flaum.
[65] SYKOPHANT.
Wer sorgt hier für Befiederung der Fremden?
PISTHETAIROS.
Der Mann bin ich! Was steht zu Dienst? Sag an!
SYKOPHANT.
Ei, Flügel, Flügel! Was bedarf's der Frage?
PISTHETAIROS.
Du denkst wohl nach Pellene hinzufliegen?
SYKOPHANT.
O nein, ich bin Gerichtsbot' auf den Inseln
Herum und –
PISTHETAIROS.
Sykophant? – Ein schönes Amt!
SYKOPHANT.
Prozeßaufspürer! Um von Stadt zu Stadt
Zitierend mich zu schwingen, brauch' ich Flügel.
PISTHETAIROS.
Geht das Zitieren denn mit Flügeln besser?
SYKOPHANT.
O nein, es ist nur der Piraten wegen!
Und heim dann kehr' ich mit den Kranichen,
Statt mit Ballast den Kropf gefüllt mit – Klagen!
PISTHETAIROS.
Das ist dein Handwerk also! Noch so jung
Und schon Spion und Sykophant auf Reisen?
SYKOPHANT.
Was soll ich machen? Graben kann ich nicht –
PISTHETAIROS.
Es gibt, bei Gott, doch ehrliche Gewerbe,
Von denen sich ein Mensch in deinem Alter
Ernähren sollt', und nicht vom Händelstiften!
SYKOPHANT.
Salbader! Flügel brauch' ich, nicht Moral!
PISTHETAIROS.
Mit meinem Wort beflügl' ich dich!
SYKOPHANT.
Wie soll
Mich das beflügeln?
PISTHETAIROS.
Ei, durch Worte macht
Man jedem Flügel!
SYKOPHANT.
So?
PISTHETAIROS.
Und hast du nie
Gehört, wie Väter in den Baderstuben
Vor jungen Leuten manchmal also sprachen:
›Mein Jung' hat Schwung, Diitrephes beflügelt
Ihn durch sein Wort – zum Reiten und zum Fahren!‹
Ein andrer meint: der seine habe Schwung
[66] Fürs Trauerspiel, hochfliegend sei sein Geist –
SYKOPHANT.
So könnten Worte Flügel geben?
PISTHETAIROS.
Freilich!
Durch Worte schwingt der Genius sich auf,
Der Mensch erhebt sich! – Und so will auch ich
Mit wohlgemeinten Worten dich beflügeln
Zur Ehrlichkeit –
SYKOPHANT.
Das willst du? – Ich will nicht!
PISTHETAIROS.
Was willst du denn?
SYKOPHANT.
Nicht schänden mein Geschlecht!
Ererbt hab' ich das Sykophantenhandwerk:
Drum gib mir schnelle, leichte Fittiche,
Vom Habicht oder Falken, daß die Fremden
Ich herzitieren, hier verklagen kann
Und dann ausfliegen abermals –
PISTHETAIROS.
Verstehe!
Du meinst: gerichtet soll der Fremde sein,
Noch eh' er hier ist?
SYKOPHANT.
Völlig meine Meinung!
PISTHETAIROS.
Er schifft hierher, indes du dorthin fliegst,
Um sein Vermögen wegzukapern?
SYKOPHANT.
Wohl!
Flink wie ein Kreisel muß das gehn!
PISTHETAIROS.
Verstehe!
Ganz wie ein Kreisel! – Ei, da hab' ich eben
Scharmante Flügel von Kerkyra – schau!
Zeigt ihm die Peitsche.
SYKOPHANT.
Au weh, die Knute!
PISTHETAIROS.
Schwingen sind's, mit denen
Du mir hinschwirren sollst ›flink wie ein Kreisel!‹
Peitscht ihn durch.
SYKOPHANT.
Au, au!
[67] PISTHETAIROS.
So fliege doch, Halunke, fliege!
Erzgauner, tummle dich, frischauf! – Ich will
Die Rechtsverdreherpraxis dir versalzen!
Sykophant ab.
Zu den Sklaven.
Nun packt die Federn ein! Wir wollen gehn!
Ab.
ERSTER HALBCHOR.
Viel des Neuen, Wunderbaren
Haben wir auf unserm Flug
Schon gesehn! Vernehmt und staunet:
Aufgeschossen, fern von Kardia,
Ist ein seltsam fremder Baum,
Und der heißt: Kleonymos –
Ist im Grund zu nichts zu brauchen,
Aber stämmig sonst und groß;
Sykophantenfrüchte trägt er
Stets im Frühling, goldumlaubte, –
Aber nackt im Wintersturme
Steht er da, schildblätterlos!
ZWEITER HALBCHOR.
In der ampellosen Wüste,
Der ägypt'schen Finsternis
Nah gelegen ist ein Land;
Allda schmausen und verkehren
Menschen mit Heroen immer
Früh, doch spät am Abend nicht!
Denn geheuer ist es nicht,
Ihnen zu begegnen nachts:
Würd' ein Sterblicher dem Heros
Da begegnen, dem Orestes, –
Schwer vom Schlag getroffen würd' er,
Ausgezogen bis aufs Hemd!
"