Immer mehr Väter kinderlos. Auch richtig.
Immer mehr Männer kinderlos: Ist Vater werden doch schwer?
Moderne Männer sollen „neue" Väter" sein. Das „traditionelle" männliche Selbstverständnis als „Familienernährer" gilt als antiquiert. Stattdessen wird von Vätern erwartet, dass sie sich nicht nur um das Einkommen, sondern auch um das „Auskommen" und die „Innenarchitektur" der Familie sorgen (1). Um diesem neuen Ideal entsprechen zu können, müssen Männer allerdings erst einmal Väter werden. Dies ist immer weniger selbstverständlich: Der Anteil der alleinstehenden Männer ohne Kinder im Haushalt steigt rasch und stetig: Zwischen 1996 und 2008 hat er sich unter den 35-40-Jährigen in Westdeutschland von rund 10 Prozent auf etwa 28 Prozent fast verdreifacht. Parallel dazu ist der Anteil der verheirateten Männer mit Kindern von rund 60 auf etwa 50 Prozent gesunken. Der Anteil von Männern in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit Kindern ist marginal geblieben. Fast die Hälfte der westdeutschen Männer zwischen 35-40 Jahren lebt ohne Kinder im Haushalt (2).
Nun können Männer aber außerhalb ihres Haushalts lebende Kinder haben oder erst nach ihrem 40. Lebensjahr (erstmals) Väter werden. Neue demographische Analysen zeigen die tatsächliche Kinderlosigkeit von Männern: Von den 35-39-Jährigen haben demnach etwa 40 Prozent und von den 40-44-Jährigen rund 30 Prozent keine Kinder. Nach dem 45. Lebensjahr sind erste Vaterschaften selten. Im Vergleich zu den über 50-Jährigen Männern (21-23 Prozent Kinderlose) werden jüngere Männer daher häufiger zeitlebens kinderlos bleiben (3).
Über alle Generationen hinweg sind Männer deutlich häufiger kinderlos als Frauen. Die zentrale Ursache hierfür ist der sog. „birth-squeeze-Effekt": Bis zur Altersgruppe der 50-Jährigen gibt es in allen Jahrgängen anteilig mehr Männer als Frauen. Zugleich sind in Partnerschaften die Frauen im statistischen Durchschnitt etwa drei Jahre jünger als die Männer. Durch den Geburtenrückgang seit den 60er Jahren verschärft sich deshalb der Männerüberschuss auf dem Heiratsmarkt: Jede Männerkohorte trifft auf eine zahlenmäßig kleinere Kohorte noch nicht partnerschaftlich gebundener Frauen (4). So ist es zu erklären, dass nur rund 26 Prozent der Frauen aber mehr als ein Drittel der Männer zwischen 35 und 40 Jahren ohne Partner im Haushalt leben (5). Zwar sind nicht wenige Männer mit einer außerhalb ihres Haushalts wohnenden Frau liiert. Vater werden Männer in einer solchen Konstellation jedoch nur selten: Mehr als 70 Prozent der in einer „Living-Apart-Together"- Beziehung lebenden Männer über 30 Jahren sind kinderlos. Selbst alleinlebende Männer sind häufiger Väter. Dies erscheint zunächst paradox, ist aber leicht zu erklären: Zu den alleinlebenden Männern gehören auch Geschiedene und Verwitwete, die häufig Kinder aus einer früheren Ehe haben. In Ehen wiederum werden Männer in der Regel Väter: Fast 85 Prozent der verheirateten Männer zwischen 30-59-Jahren haben mindestens ein Kind, die meisten sogar zwei oder mehr Kinder. Dagegen sind nur etwa die Hälfte der unverheiratet mit einer Frau zusammenlebenden Männer dieses Alters Väter; zwei oder mehr Kinder hat nur etwa jeder Sechste von ihnen (6).
Für Männer gilt damit wie für Frauen, dass Elternschaft eng an die Ehe gebunden ist (7). Erst recht gilt dies für eine aktive Vaterschaft, die Zeit für Kindererziehung und Beziehungspflege erfordert: Sie lässt sich in einer auf (Lebens)Dauer ausgerichteten Ehe sehr viel eher verwirklichen als in einem Lebensentwurf der „seriellen Monogamie" (8). Dessen ungeachtet erklären Juristen das Leitbild der ehelichen Familie für „überholt" und relativieren in höchstrichterlichen Urteilen zum Unterhalts- und Sorgerecht ihren verfassungsmäßigen Schutz (9). Damit fördern sie längerfristig weniger das Engagement von Männern für Kinder und Familie als vielmehr das ungehinderte Erwerbsstreben und die Vereinzelung beider Geschlechter.
(1) Beispielhaft für diese Sichtweise: Paul M. Zulehner: Neue Männlichkeit - neue Wege der Selbstverwirklichung, S. 5-12, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 46/2004, S. 7-8.
(2) Bezogen auf Ostdeutschland zeigt die Auswertung des Mikrozensus eine noch rasantere Entwicklung: Der Anteil der alleinstehenden Männer ohne Kinder im Haushalt ist hier unter den 35-40-Jährigen von weniger als 5 Prozent auf fast ein Drittel explodiert und der Anteil der Verheirateten mit Kindern von rund 65 Prozent auf etwa 42 Prozent eingebrochen. Von den Frauen dieses Alters leben immerhin noch 73 in West- und 79 Prozent in Ostdeutschland mit Kindern im Haushalt. Vgl.: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (Hrsg.)/bearbeitet von Evelyn Grünheid: Die demographische Lage in Deutschland im Jahr 2008, Wiesbaden 2009, S. 11. Abrufbar unter: http://www.bib-demographie.de; hier unter: Download-Center/Bevölkerungsbilanz & Aufbau.
(3) Vgl.: Kerstin Ruckdeschel/Robert Naderi: Fertilität von Männern, S. 2-9, in: Bevölkerungsforschung aktuell, Mitteilungen aus dem Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, 30. Jahrgang, November 2009, S. 3.
(4) Vgl. ebenda, S. 4.
(5) Siehe Abbildung unten: „Lebensformen junger Männer und Frauen".
(6) Siehe Abbildung unten: „Kinderzahl von Männern nach Lebensform".
(7) Mehr noch als bei Frauen ist bei Männern bereits der Wunsch nach Kindern an Stabilität der Partnerschaft abhängig. Siehe hierzu: http://www.i-daf.org/77-0-Woche-35-2008.html. Zur Bedeutung des Familienstands bzw. der Ehe für die Mutterschaft: http://www.i-daf.org/107-0-Woche-50-2008.html.
(8) Zur Stabilität unterschiedlicher Partnerschaftsformen und zur „seriellen Monogamie": http://www.i-daf.org/201-0-Woche-33-2009.html sowie http://www.i-daf.org/247-0-Woche-46-2009.html.
(9) So postuliert die Direktorin des Instituts für Deutsches, Europäisches und Internationales Familienrecht an der Universität Bonn: „Das Leitbild der ehelichen Familie, das dem Bürgerlichen Gesetzbuch zugrunde liegt, wird den vielfältigen Lebensformen, in die Kinder hineingeboren werden und in denen sie aufwachsen, nicht mehr gerecht." Siehe: Nina Dethloff: Kindschaftsrecht des 21. Jahrhunderts: Rechtsvergleichung und Zukunftsperspektiven, S. 141-147, in: Zeitschrift für Kindschaftsrecht und Jugendhilfe, Heft 4/2009, S. 141. Das deutsche Kindschaftsrecht sieht Dethloff in drei Bereichen als besonders reformbedürftig an: der nichtehelichen Elternschaft, dem Recht der Stieffamilien sowie der Eltern-Kind-Beziehungen in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Angesichts der „bestehenden europäischen Standards" war es für Dethloff nur eine Frage der Zeit bis der der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte „das mütterliche Vetorecht des deutschen Rechts als eine mit Art. 8 und 14 EMRK unvereinbare Diskriminierung der Väter außerehelich geborener Kinder ansehen wird" (vgl. ebenda, S. 141-142). Am 3. Dezember 2009 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nun die Schlechterstellung lediger Väter im Sorgerecht als Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot beurteilt: http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/0,1518,664931,00.html.
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Jürgen Liminski Stefan Fuchs
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