Montag, 12. Dezember 2011

Kachelmann ./. Staatsanwältin Freudenberg: Auch Streitwertbeschwerde der Verfügungsbeklagten erfolglos. Interessante Ausführungen des OLG Köln zum Gegenstandswert in Online- und Printveröffentlichungen.

UND: "Muss man sich alles gefallen lassen? Wo hört Pressefreiheit auf, wo fängt Persönlichkeitsschutz an?"
Kachelmann ./. Staatsanwältin Freudenberg: Auch Streitwertbeschwerde der Verfügungsbeklagten erfolglos. Interessante Ausführungen des OLG Köln zum Gegenstandswert in Online- und Printveröffentlichungen.

Das Landgericht Köln hatte eine einstweilige Verfügung gegen die Göttinger Staatsanwältin Dagmar Freudenberg erlassen, die in einem Artikel in der Online-Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung von der "Geschädigten im Kachelmann-Prozess" gesprochen hatte (LG Köln, Az. 28 O 617/11 - vgl. Pressemitteilung vom 03.08.2011). Damit hatte sie den falschen Eindruck erweckt, der - freigesprochene - frühere Angeklagte Kachelmann sei Täter einer Sexualstraftat. Der Widerspruch der Verfügungsbeklagten Freudenberg gegen die einstweilige Verfügung blieb erfolglos (vgl. Pressemitteilung vom 19.10.2011).

Der Verfügungsbeklagten wurden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Mit einer Streitwertbeschwerde wandte sie sich gegen den mit Beschluss des Landgerichts vom 03.11.2011 festgesetzten Streitwert von 20.000 EUR und beantragte dessen Herabsetzung auf 7.000 EUR.

Das OLG Köln wies die Streitwertbeschwerde mit Beschluss vom 06.12.2011 nun zurück (OLG Köln, Az. 15 W 76/11). Es bezeichnete eine Bewertung von Kachelmanns Unterlassungsinteresse mit 20.000 EUR als angemessen.

Interessant sind die Ausführungen des OLG Köln zum Verhältnis des Streitwerts von Veröffentlichungen in Printmedien und im Onlinebereich. Traditionell werden die Gegenstandswerte von Online-Veröffentlichungen niedriger bewertet als die Gegenstandswerte im Printbereich. Diese Rechtsprechung ist seit langem nicht mehr haltbar, da Veröffentlichungen im Internet aufgrund ihrer größeren Verbreitung und ihrer dauerhaften problemlosen Auffindbarkeit längst gravierender sind als Veröffentlichungen in Printmedien, deren Auflagen angesichts der Konkurrenz im Internet ständig zurückgehen.

Das OLG Köln führt hierzu nun in einem obiter dictum aus:

"Dabei kann es dahinstehen, ob von Online-Veröffentlichungen ausgehende Beeinträchtigungen wegen ihres gegenüber Printmedien regelmäßig geringeren Verbreitungsgrades generell hinter Print-Veröffentlichungen zurückbleiben, und dies mit der grundätzlich niedrigeren Bewertung des Gegenstandswerts von gegen Online-Berichterstattungen gerichteten Unterlassungsbegehren zum Ausdruck zu bringen ist. Nur am Rande sei darauf hingewiesen, dass eine solche - generalisierende - Betrachtungsweise jedenfalls in den Fällen nicht angebracht erscheint, in denen sich die Öffentlichkeit über einen längeren Zeitraum mit einem Ereignis von hohem Aufmerksamkeitswert auseinandersetzt und sich das Interesse hieran immer wieder neu belebt, was die Neigung befördert, auch nicht mehr tagesaktuelle, indes noch zum Aufruf bereitgehaltene Berichte in Online-Medien abzurufen mit der Folge, dass die zunächst zahlenmäßig geringere Verbreitung der rechtsverletzenden Berichterstattung wegen der längerfristigen Abrufbarkeit eine nicht unbeachtliche Perpetuierung der Rechtsverletzung bewirkt, die den im Vergleich gegenüber Print-Medien anfänglich niedrigeren Verbreitungsgrad kompensieren kann. Im vorliegend zu beurteilenden Fall kann dies jedoch offenbleiben, weil der tatsächliche Verbreitungsgrad einer als persönlichkeitsrechtsverletzend angegriffenen Äußerung nur ein Kriterium darstellt, das in die anhand sämtlicher, im Rahmen von § 48 Abs. 2 GKG heranzuziehenden Umstände vorzunehmende Gesamtabwägung einfließt, um das Unterlassungsinteresse zu bestimmen."

Im Folgenden stellt das OLG Köln auf einen solchen entscheidenden Umstand ab. Es weist darauf hin, dass der von der Verfügungsbeklagten hervorgerufene Eindruck, Herr Kachelmann sei Täter einer Sexualstraftat von gravierendem Gewicht sei und einen schweren Angriff auf sein allgemeines Persönlichkeitsrecht darstelle.

RA Prof. Dr. Ralf Höcker:

"Es ist anachronistisch, Internetmedien immer noch eine geringere Bedeutung beizumessen als Printmedien. Das Internet hat den Printbereich längst als die relevanteste Informationsquelle abgelöst. Dem tragen die Gerichte bei der Bemessung der Streitwerte in Gerichtsverfahren bisher nur zögerlich Rechnung. Umso richtiger ist der Beschluss des OLG Köln in Sachen Kachelmann ./. Freudenberg, in dem es die Bedeutung der Informationsquelle Internet anerkennt."



08.12.2011

Prof. Höcker sprach beim "2. Erfahrungsaustausch der Kölner Juristen in Stadt und städtischen Gesellschaften" zum Thema "Muss man sich alles gefallen lassen? Wo hört Pressefreiheit auf, wo fängt Persönlichkeitsschutz an?"

Auf Einladung der städtischen Juristen in den Ämtern und Gesellschaften der Stadt Köln spricht Prof. Dr. Ralf Höcker heute um 16 Uhr im Rathaus/Spanischer Bau der Stadt Köln zum Thema:

"Muss man sich alles gefallen lassen? Wo hört Pressefreiheit auf, wo fängt Persönlichkeitsschutz an?"

Öffentliche Institutionen sehen sich vermehrt öffentlicher Kritik ausgesetzt. Wo ist die Grenze zulässiger Kritik? Wie kann man sich gegen unzulässige Kritik wehren? Welche begleitenden Maßnahmen der Pressearbeit sind notwendig?

Der Referent Rechtsanwalt Prof. Dr. Höcker berät Unternehmen, Behörden, Verbände und Persönlichkeiten im Marken- und Medienrecht. Aktuell unterstützt er u.a. die Sparkasse einer Großstadt bei der Abwehr negativer Presse im Zusammenhang mit Vorwürfen gegen das Institut sowie eine IHK bei der Abwehr von Berichten, in denen der IHK-Vorsitzende angegriffen wird. Zudem wird er am Beispiel einer Kommune darstellen, was man gegen die Weiterleitung geheimhaltungsbedürftiger Informationen aus nicht-öffentlichen Sitzungen der politischen Gremien der Stadt an die Lokalpresse unternehmen kann.

http://www.hoecker.eu/mitteilungen/artikel.htm?id=211



ja, ja!

Dazu passen auch die beiden Blog-Beiträge ...

http://nebgen.blogspot.com/2011/12/wenn-polizisten-ausbrennen.html


http://www.raflauaus.de/2011/03/sta-fordert-berufsverbot-und-1-jahr-9-monate-fur-ra-lucas/