Freitag, 1. Juni 2012

BGH: Neuer Schlag gegen Axel-Springer-Verlag wegen Gunter Sachs

Nachdem sich der Bundesgerichtshof gestern schon zur kleinen Freiheit des Axel-Springer-Verlags gegenüber 'seine' freien Journalisten (siehe weiter unten) geäußert hat, legt er heute nochmals mit einem Schlag wegen der kleinen Freiheiten, die sich der Verlag schamlos(?), pietätlos(?) gegenüber dem toten und dabei scheinbar wehrlosen Gunter Sachs nahm, nach. Voll auf die Zwölf - "Jede Wahrheit braucht wohl einen BGH, der sie gegen Über-/Hochmütige ausspricht!"):

 "Bundesgerichtshofs bestätigt Verurteilung des Axel-Springer-Verlages zur Zahlung einer fiktiven Lizenz wegen werblicher Vereinnahmung von Gunter Sachs

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Axel-Springer-Verlag wegen einer werblichen Vereinnahmung des vor einem Jahr verstorbenen Gunter Sachs eine fiktive Lizenz in Höhe von 50.000 € zu zahlen hat.
Der Axel-Springer-Verlag verlegt unter anderem die "BILD am Sonntag". In der Ausgabe vom 10. August 2008 befand sich auf der letzten Seite ein redaktionell aufgemachter Artikel, der mit drei Fotos des Klägers bebildert war. Auf einem großflächigen Foto ist der Kläger bei der Lektüre einer Zeitung mit dem "BILD"-Symbol zu erkennen. Die Bildinnenschrift lautet: "Gunter Sachs auf der Jacht "Lady Dracula". Er liest BILD am SONNTAG, wie über elf Millionen andere Deutsche auch." Auch im Fließtext wird die Lektüre des Klägers herausgestellt.
Gunter Sachs hat den Axel-Springer-Verlag daraufhin auf Unterlassung und auf Zahlung einer Lizenzvergütung in Höhe von 50.000 € in Anspruch genommen. Das Landgericht Hamburg hat den Verlag zur Unterlassung verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht Hamburg den Axel-Springer-Verlag darüber hinaus zur Zahlung einer Lizenzvergütung in der vom Kläger verlangten Höhe verurteilt.
Der Bundesgerichtshof hat nunmehr die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Axel-Springer-Verlages zurückgewiesen. Dass der Kläger während des Revisionsverfahrens verstorben ist, hatte auf das Verfahren keine Auswirkungen. Der Senat hat eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild (§§ 22, 23 KUG)* darin gesehen, dass der Kläger durch die Abbildung und die begleitende Textberichterstattung ohne seine Zustimmung für Werbezwecke vereinnahmt worden ist. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass die Werbung sich nicht in einer als solchen erkennbaren Anzeige, sondern in einem redaktionellen Artikel befand. Der beklagte Verlag kann sich demgegenüber nicht auf ein überwiegendes Informationsinteresse berufen. Vielmehr hat das Persönlichkeitsrecht des Klägers - so der Bundesgerichtshof - Vorrang gegenüber dem nur als gering zu veranschlagenden Interesse der Öffentlichkeit an der Neuigkeit, dass der Kläger auf seiner Jacht die Zeitung "Bild am Sonntag" liest. Dabei hat der Bundesgerichthof auch berücksichtigt, dass der beklagte Verlag mit der Veröffentlichung des Fotos in unzulässiger Weise in die Privatsphäre des Klägers eingegriffen hat. Durch Vereinnahmung des Klägers für die Werbung hat der Verlag einen vermögenswerten Vorteil erlangt, der den Anspruch auf Zahlung der Lizenz begründet.
Urteil vom 31. Mai 2012 - I ZR 234/10 - Playboy am Sonntag
LG Hamburg – Urteil vom 4. Dezember 2009 – 324 O 338/09 (AfP 2010, 193)
OLG Hamburg – Urteil vom 10. August 2010 – 7 U 130/09 (ZUM 2010, 884)
Karlsruhe, den 1. Juni 2012
*§ 22 KUG
Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Die Einwilligung gilt im Zweifel als erteilt, wenn der Abgebildete dafür, dass er sich abbilden ließ, eine Entlohnung erhielt. Nach dem Tode des Abgebildeten bedarf es bis zum Ablaufe von 10 Jahren der Einwilligung der Angehörigen des Abgebildeten. Angehörige im Sinne dieses Gesetzes sind der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner und die Kinder des Abgebildeten und, wenn weder ein Ehegatte oder Lebenspartner noch Kinder vorhanden sind, die Eltern des Abgebildeten.
§ 23 KUG
Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden:
Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte;
Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen;
Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben;
Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient.
(2)Die Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten oder, falls dieser verstorben ist, seiner Angehörigen verletzt wird.
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
 76125 Karlsruhe
 Telefon (0721) 159-5013
 Telefax (0721) 159-5501"


Nr. 080/2012 vom 01.06.2012

http://www.beckmannundnorda.de/serendipity/index.php?/archives/920-BGH-Honorarbedingungen-fuer-freie-Journalisten-des-Axel-Springer-Verlages-teilweise-unwirksam.html
Bundesgerichtshof

 Mitteilung der Pressestelle

 Nr. 74/2012

 Bundesgerichtshof zur Wirksamkeit vonHonorarbedingungen für freie Journalisten

 Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Honorarbedingungen, die der Axel-Springer-Verlag seinen Verträgen mit freien Journalisten zugrunde legt, teilweise unwirksam sind.

 Der Kläger ist der Deutsche Journalistenverband, der die Interessen angestellter und freier Journalisten wahrnimmt. Der beklagte Axel-Springer-Verlag legt seit Januar 2007 den Verträgen, die er mit freien Journalisten über die Lieferung von Text- und Bildbeiträgen abschließt, seine "Honorarregelungen Zeitungen" und "Honorarregelungen Zeitschriften" zugrunde.

 Der Kläger hält eine Vielzahl der in den Honorarregelungen enthaltenen Klauseln für unwirksam. Er hat deswegen den Beklagten auf Unterlassung der Verwendung dieser Honorarregelungen in Anspruch genommen. Das Landgericht Berlin hat der Klage hinsichtlich einiger Klauseln stattgegeben. Beim Kammergericht hatten sowohl der Kläger als auch der Beklagte mit ihren Berufungen teilweise Erfolg.

 Auf die Revision des Klägers hat der Bundesgerichtshof nunmehr einige weitere Klauseln, die das Kammergericht für unbedenklich erachtet hatte, für unwirksam erklärt. Hinsichtlich anderer Klauseln hatte die Revision dagegen keinen Erfolg. Im Mittelpunkt steht dabei die Bestimmung, mit der sich der beklagte Verlag umfassende urheberrechtliche Nutzungsrechte an den von den freien Journalisten erstellten Beiträgen einräumen lässt ("Soweit … nicht anders vereinbart, hat der Verlag das zeitlich, räumlich und inhaltlich unbeschränkte Recht, die Beiträge im In- und Ausland in körperlicher und unkörperlicher Form digital und analog zu nutzen …"). Diese Bestimmung hat der BGH für wirksam erachtet. Im Gegensatz zum Kammergericht hat der Bundesgerichtshof jedoch die Vergütungsregelung beanstandet, die unter anderem bestimmt, dass im vereinbarten Honorar ein angemessener Anteil für die Einräumung der umfassenden Nutzungsrechte enthalten ist.

 Der umfassenden Rechtseinräumung steht insbesondere der Schutzgedanke des § 31 Abs. 5 UrhG nicht entgegen, wonach der Urheber möglichst weitgehend an den wirtschaftlichen Früchten der Verwertung seines Werkes zu beteiligen ist. Diese Bestimmung kommt - so der Bundesgerichtshof - als Maßstab einer Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht in Betracht. Zum einen handelt es sich dabei um eine Auslegungsregel, die Inhalt und Umfang der einzuräumenden Rechte grundsätzlich der Disposition der Vertragsparteien überlässt. Zum anderen geht es bei den Klauseln um Regelungen, die unmittelbar den Umfang der vertraglichen Hauptleistungspflicht bestimmen. Sie gehören zum Kernbereich privatautonomer Vertragsgestaltung und sind regelmäßig der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB entzogen. Daran hat die Einführung des § 11 Satz 2 UrhG nichts geändert, wonach das Urheberrecht auch der Sicherung einer angemessenen Vergütung für die Nutzung des Werks dient.

 Die Unwirksamkeit der Vergütungsregelung hat der Bundesgerichtshof deshalb auch nur mit dem Transparenzgebot begründet. Danach kann sich eine unangemessene Benachteiligung einer Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen daraus ergeben, dass die Regelung nicht klar und verständlich ist; der Verwender solcher Geschäftsbedingungen ist vielmehr gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners klar, einfach und präzise darzustellen. Nach den Honorarregelungen des beklagten Verlages ist jedoch völlig unklar, ob der Journalist für weitergehende Nutzungen eine gesonderte Vergütung erhalten soll oder nicht. Diese Regelungen enthalten eine Bestimmung, nach der insofern zu differenzieren ist: Einzelne in einer Klausel aufgeführte Nutzungen sollen "in jedem Fall" abgegolten sein. Nach einer weiteren Klausel, die das Kammergericht bereits rechtskräftig für unwirksam erklärt hat, soll sich die Frage, ob für darüber hinausgehende Nutzungen eine gesonderte Vergütung geschuldet wird, danach richten, was zwischen den Vertragsparteien abgesprochen ist. Nach dieser Regelung bleibt es letztlich offen, ob und für welche weitergehenden Nutzungen der Verlag eine gesonderte Vergütung zu zahlen hat.

 Das bedeutet - so der Bundesgerichtshof - jedoch nicht, dass undifferenzierte Vergütungsregeln rechtlich unbedenklich sind, bei denen mit dem vereinbarten Honorar sämtliche weitergehenden Nutzungen abgegolten sind. Denn eine solche pauschale Vergütung wird sich häufig nicht als angemessen erweisen und daher zu einer nachträglichen Vertragsanpassung nach § 32 Abs. 1 Satz 3 UrhG führen müssen.

 Urteil vom 31. Mai 2012 - I ZR 73/10 - Honorarbedingungen freie Journalisten

 LG Berlin - Urteil vom 9. Dezember 2008 - 16 O 8/08

 KG Berlin - Urteil vom 26. März 2010 - 5 U 66/09

 (ZUM 2010,799 = AfP 2010, 388)

 Karlsruhe, den 31. Mai 2012

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