Montag, 7. März 2011

Alaaf und Helau: "Fakten stören nur: Die uniforme Welt der Genderjuristen" - Vom Ursprung der gewollten „Gender“-Begriffsverwirrung

Fakten stören nur: Die uniforme Welt der Genderjuristen
 
Ungleiches gleich behandeln: So will es das „Unisex“-Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Versicherungen dürfen künftig in ihren Tarifen nicht mehr zwischen Männern und Frauen differenzieren. Bisher boten Autoversicherungen günstigere Angebote für Frauen und private Rentenversicherer niedrigere Policen für Männer. Diese von den Luxemburger Richtern verworfene vermeintliche „Diskriminierung“ war von Versicherungsmathematikern wohl kalkuliert. Man rechnete mit dem geringeren Unfallrisiko von Frauen und der geringeren Lebenserwartung von Männern (1). Anhängern der „Gender-Mainstreaming“-Philosophie missfallen schon die solchen Kalkulationen zugrunde liegenden Statistiken: Indem diese Statistiken die „statistische Signifikanz der Sex-Kategorie“ durch „harte Fakten“ belegten, führten sie „zu einer problematischen Rekonstruktion von Geschlecht“. Der statistisch vergleichende Zugang zu den Lebensverhältnissen zwischen Männern und Frauen sei „irreführend“, wenn „er nicht genderbezogen weitergeführt und qualifiziert“ werde (2). Das Geschlecht wollen sie eben nicht mehr als eine biologische Kategorie („sex“), sondern als sozio-kulturelle „Konstruktion“ („gender“) verstanden wissen – Fakten, auch statistische, stören in diesem Weltbild nur.
Dies gilt insbesondere für Befunde aus der Medizin: So sterben Männer bekanntlich früher als Frauen (3). Auch dies ist zweifellos ein wichtiger Aspekt ungleicher Lebensverhältnisse der Geschlechter, allerdings zum Nachteil der Männer. Die anhaltende „Diskriminierung“ von Frauen meint nun der Tunnelblick des „Gender Mainstreaming“ vor allem auf dem Arbeitsmarkt erkennen zu können. Bekannte Stichworte sind hier Erwerbsbeteiligung, Löhne und berufliche Führungspositionen. Aus diesem arbeitsmarktfixierten Weltbild ließe sich im Umkehrschluss folgern: Mit der kürzeren Lebenszeit bezahlten die Männer eben für ihre extensive Erwerbstätigkeit. Tatsächlich sterben Männer wesentlich häufiger als Frauen bei Arbeitsunfällen in typischen Männerberufen. Ausgerechnet diese Berufe (z. B.  in der Bau- und Entsorgungswirtschaft, „Sicherheitsbranche“) bieten aber weder das „große Geld“ noch Prestige oder soziales Ansehen. Nicht zufällig verlangt denn auch niemand nach einer „Frauenquote“ unter Müllwerkern, Feuerwehrleuten oder unteren Militärdienstgraden. Die harte Lebenswirklichkeit von Männern in diesen Berufen spielt im politisch-medialen Diskurs kaum eine Rolle: Das Wort führen hier Akademiker(innen) mit Ambitionen auf berufliche „Karriere“ (4). Das Lebensschicksal entscheidet sich aus dieser auch die europäische Beschäftigungs- und Antidiskriminierungspolitik prägenden Perspektive vor allem im Büro-Beruf.
Die Arbeitswelt ist aber keineswegs ausschlaggebend für die kürzere Lebenszeit von Männern. Zu früh zeigen sich dafür die geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Sterblichkeit: Aborte und Fehlgeburten kommen bei männlichen Föten häufiger vor und männliche Frühgeborene haben deutlich schlechtere Überlebenschancen. In der „Sturm- und Drangphase“ der Jugend vergrößert sich diese „Übersterblichkeit“ der Jungen noch. Aufgrund riskanterer (Fahr)Verhaltensweisen verunglücken mehr junge Männer als Frauen bei Unfällen (5). Junge Männer töten sich auch häufiger vorsätzlich: Ihre Suizidquote ist mehr als dreimal so hoch wie die gleichaltriger Frauen. Noch deutlicher als (an den erfreulicherweise rückläufigen Fällen von Selbsttötung) zeigt sich die Gefährdung der Jungen an dem mittlerweile epidemischen „Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom“: Ärzte diagnostizieren es bei Jungen vier bis fünf Mal häufiger als bei Mädchen. Ein zentraler Grund für die Konzentrations- und Aufmerksamkeitsdefizite sind die neueren elektronischen Medien: Experten schätzen, dass Jungen zehnmal häufiger als Mädchen von Computerspielsucht gefährdet sind (6). Die Anfälligkeit für virtuelle Parallelwelten ist wiederum eine wesentliche Ursache für das immer auffälligere Zurückbleiben der Jungen im Bildungswesen (7).
Diese Probleme unvoreingenommen zu erforschen und zu diskutieren widerstrebt den Advokaten des Gender-Mainstreaming: Zu groß erscheint ihnen die Gefahr einer „einseitig bipolaren Konstruktion der geschlechterbezogenen Differenz-Prämisse“. Eben diese Ignoranz der Verschiedenheit von Mädchen und Jungen droht (Stichwort: frustrierte junge Männer) teuer zu werden. Teuer bezahlen müssen dann alle, nicht nur die Kunden privater Rentenversicherer. 
 
(1) David Böcking: Unisex-Urteil treibt Beiträge hoch, SPIEGELONLINE vom 01.03.2011, http://www.spiegel.de/wirtschaft/service/0,1518,748413,00.html .Das Urteil des EuGH im Wortlaut: http://www.spiegel.de/media/0,4906,25406,00.pdf
(2) Gunter Neubauer/Reinhard Winter: Jungengesundheit in Deutschland: Themen, Praxis, Problemfelder, S. 30-57, in: Doris Bardehle/Matthias Stierle (Hrsg.): Erster deutscher Männergesundheitsbericht – ein Pilotbericht, München 2010, S. 53.
(3) Seit den ersten geschlechtsspezifischen Mortalitätsanalysen im 18. Jahrhundert ist Forschern die höhere Lebenserwartung der Frauen bekannt. Biologische Erklärungen dieser „männlichen Übersterblichkeit“ führen diese auf geschlechtsspezifische Unterschiede in Anatomie, Physiologie, Hormonhaushalt und Genetik, insbesondere das zusätzliche X-Chromosom der Frauen zurück. Verhaltens- und umweltorientierte Ansätze erklären die niedrigere Lebenserwartung mit Gesundheitsrisiken im Berufsleben und mit gefährlicheren Lebensstilen (Drogen- und Alkoholmissbrauch, riskantes Verhalten im Straßenverkehr etc.). Gegenwärtig tendiert die Forschung dazu, den Verhaltens- und Umweltfaktoren einen größeren Einfluss zuzumessen, wobei allerdings ungeklärt bleibt, inwiefern nicht auch Verhaltensunterschiede wiederum biologisch (insbesondere hormonell) vorgeprägt sind. Vgl.: Marc Luy/Paola die Giulio: Der Einfluss von Verhaltensweisen und Lebensstilen auf die Mortalitätsdifferenz der Geschlechter, in: Karla Gärtner/Evelyn Grünheid/Marc Luy (Hrsg.): Lebensstile, Lebensphasen, Lebensqualität (Hrsg.): Lebensstile, Lebensphasen, Lebensqualität – Interdisziplinäre Analysen aus dem Lebenserwartungssurvey des BiB, Wiesbaden 2005, S. 365-392.
(4) Ausnahmsweise ins Blickfeld der Medien rückt diese Arbeits- und Lebenswirklichkeit, wenn Gewerkschaften Arbeitskämpfe organisieren – typisch hierfür sind zum Beispiel Streiks bei der Müllabfuhr.
(5) Siehe: Adelheid Müller-Lissner: Für Männer tickt die Uhr schneller, TAGESSPIEGEL vom 26.08.2009, http://www.tagesspiegel.de/magazin/wissen/art304,2882904
(6) Gunter Neubauer/Reinhard Winter: Jungengesundheit in Deutschland, op. cito, S. 34-38.
(7) Siehe hierzu: http://www.i-daf.org/302-0-Wochen-17-18-2010.html

Nachricht der Wochen 9 - 10 / 2011

schäftsführer iDAF)              (Wissenschaftlicher Leiter)
Zitat der Wochen 9 - 10  / 2011
 
Vom Ursprung der gewollten  „Gender“-Begriffsverwirrung
 
Der Begriff „Gender“ stammt aus der Sexualpsychologie. Er entsprang dem Bemühen, sprachlich mit der Transsexualität umzugehen: mit der leidvollen Selbstwahrnehmung mancher Menschen, dem anderen Geschlecht anzugehören, in einem falschen Körper zu stecken. Daraus entwickelte sich die Vorstellung eines vom biologischen Geschlecht (im Englischen: sex) abgelösten, emotionalen oder metaphysischen Geschlechts (gender). Diese Grundidee wurde von der Homosexuellenbewegung übernommen. Gender wurde zur Sammelbezeichnung für das „soziale Geschlecht“ weiterentwickelt, das den Menschen ihre „Zwangsheterosexualität“ zuweise. Geschlecht ist demnach sowohl eine ideologische Hypothese als auch eine gesellschaftspolitische Konstruktion. (…) Forscht man ein wenig weiter, wird man damit vertraut gemacht, dass der Begriff „Gender“ sowohl „gesellschaftlich als auch sozial und kulturell geprägte Geschlechtsrollen“ bezeichne, die als „veränderbar“ charakterisiert werden. Dass sie verändert werden sollen, schwingt mit, wird aber zunächst nicht gesagt. (…). Erst wenn man tiefer hinab taucht, stößt man auf Material zur feministischen Theorie und „aktuelle Erkenntnisse der Geschlechterforschung zum Beispiel zu Männlichkeit, Weiblichkeit und Intersexualität“. (…) Und damit endlich ist man beim theoretischen Kern des „Gender“-Begriffs. Er meint nämlich keineswegs die Existenz sozialer Geschlechterrollen und deren Merkmale: also eine Banalität (…). Vielmehr behauptet „Gender“ in letzter Konsequenz, dass es biologisches Geschlecht nicht gebe.
 
Volker Zastrow: Politische Geschlechtsumwandlung, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 19.06.2006, S. 8.
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Jürgen Liminski                          Stefan Fuchs
(Geschäftsführer iDAF)              (Wissenschaftlicher Leiter)

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